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Dankbarkeit und Trauer?

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Donnerstag früh, 7.00 Uhr. Mein üblicher Weg zur Kaffeemaschine und ins Bad, also kurz gesagt zum Wasserhahn.


Aufdrehen .... nichts! Kein Wasser, ganz plötzlich und ohne Vorankündigung. Ein leises, unwohles Gefühl kommt auf. Und dann der Gedanke, dass jeder vierte Mensch auf der Welt KEINEN Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Plötzlich verspüre ich Dankbarkeit – dafür, dass meine Familie, meine Freunde und ich in einem Land leben, wo sauberes Wasser aus dem Wasserhahn selbstverständlich ist.


Trauernde erzählen oft, dass ihnen geraten wird, ihren Trauerschmerz in Dankbarkeit zu verwandeln. Sie sollen nicht traurig sein, dass sie jemanden verloren haben, sondern dankbar dafür, ihn gehabt zu haben – dankbar für die gemeinsam erlebte Zeit.


Diese gut gemeinten Ratschläge sind aber oft nur noch ein zusätzlicher Messerstich in das eh schon wunde Herz. Im Umkehrschluß ein unbeabsichtigter Vorwurf, undankbar zu sein.


Was ist Dankbarkeit?

Dankbarkeit ist ein positives Gefühl oder eine Haltung, die entsteht, wenn wir die guten Dinge in unserem Leben wertschätzen. Es ist eine Kombination aus Wahrnehmung und Anerkennung. Und in diesem Begriff stecken auch die Worte „erkennen“ oder „Erkenntnis“.


Aber für Trauernde am Anfang ihres Trauerweges ist es manchmal kaum möglich, überhaupt erst einmal die Erkenntnis zuzulassen, dass der geliebte Mensch nicht mehr da ist.

Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch das Thema Dankbarkeit manchmal vorerst nicht wichtig oder praktizierbar.

Denn der Blick ist erst einmal fast nur auf das Verlorene gerichtet. Man sieht nicht Fülle und DAsein, sondern Leere und NICHTsein. Die Qual des Vermissens löst Schmerz, Ablehnung und Verweigerung aus – ganz natürliche Reaktionen, die zumindest für eine unbestimmte Zeit das Dankenkönnen nicht möglich machen. Denn Dankbarkeit ist auch die Bereitschaft, zuzulassen, glücklich zu sein. Aber davor muss der, der zuückbleibt, erst einmal in Ruhe das NICHTS beklagen dürfen.


Was bringt Dankbarkeit in der Trauerphase?

Die regelmäßige Praxis der Dankbarkeit kann langfristige positive Veränderungen bewirken, indem sie neuronale Schaltkreise verstärkt, die mit schönen Emotionen wie Freude, Optimismus, Zufriedenheit und Selbstachtung in Verbindung stehen. Und positive Emotionen helfen uns wiederum, Stress abzubauen, Herausforderungen zu bewältigen und unsere Resilienz zu stärken. Und diese wird für den Weg des Trauerns dringend benötigt.


Das Gute daran: Dankbarkeit lässt sich trainieren

Denn sie ist eine gute Gewohnheit, die durch Regelmäßigkeit ihre kraftvolle Wirkung entfalten kann. Zum Beispiel durch das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs.


Hier eine kleine Hilfestellung:

Möglichst jeden Abend 3 bis 5 Dinge, aufschreiben, für die man dankbar ist. Wenn es am Anfang schwerfällt, kann man sich selbst ein paar Fragen stellen:


· Was ist mir heute Gutes widerfahren?

· Was hat mich heute positiv überrascht?

· Wer oder was hat mich heute zum Lächeln gebracht?

· Welche meiner guten Eigenschaften haben sich heute gezeigt?

· Was gibt mir Sicherheit?

· Welche Begegnungen haben mir heute ein gutes Gefühl gegeben?


Oder mit den Sätzen starten: Ich bin dankbar dass ... / Ich bin glücklich über ... und versuchen, diese zu vollenden.


Und wenn es mal nicht klappt, ist das auch in Ordnung

Es gibt auch Tage an denen alles schiefläuft und einem nichts einfällt – auch das darf sein.

Ein Dankbarkeitstagebuch kann ein Hilfsmittel sein, aber es ist auch völlig normal, an manchen Tagen keine Dankbarkeit zu empfinden.


Und ich bin gerade dankbar ...

... dass das Wasser wieder läuft, (ein schnell behobener Wasserrohrbruch in der Stadt)

und danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben.

 
 
 

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